Moral - verstaubt und doch so unglaublich sexy

Moral - verstaubt und doch so unglaublich sexy

Dialog mit meiner Moral

Manchmal sitzt sie einfach da, die Moral. Mit verschränkten Armen und diesem Blick, der sagt: „Na, hast du mich vermisst?“
Ich: „Ehrlich gesagt, ein bisschen schon. Aber du machst es einem auch nicht leicht.“
Moral: „Ich? Ich war die ganze Zeit hier. Du hast nur weggeschaut.“

Und da hat sie recht. Während ich durch To-do-Listen hetze, Deadlines jongliere und zwischendurch versuche, nett zu sein, steht sie in der Ecke und räuspert sich. Dezent, aber bestimmt.

Ich: „Weißt du, Moral klingt halt so ... alt. So nach Großeltern und Kirchenbank.“
Moral: „Tja, irgendwer muss ja die Dinge beim Namen nennen. Ich bin nicht alt, ich bin konsequent.“
Ich: „Na großartig. Genau das, was man braucht, wenn alles kompliziert ist.“
Moral: „Kompliziert wird’s erst, wenn du dich drückst. Ich bin simpel: Sag, was du meinst. Tu, was du sagst. Punkt.“

Ich überlege kurz, ob ich sie umarmen oder auf stumm schalten soll.

Moral ist so eine Mischung aus innere Stimme, schlechtem Gewissen und innerem Coach. Nur ohne Flipchart. Sie will, dass ich Verantwortung übernehme. Nicht nur für meine Worte, sondern für die Wirkung. Und ja, da kommt sie wieder: sie will Haltung.

Elisabeth würde jetzt sagen: „Moral ist ein System. Wenn du sie verlierst, verlierst du Orientierung.“
Und ich würde ergänzen: „Moral ist auch ein Gefühl. Wenn du sie spürst, brauchst du keine Regeln.“

Wir zwei, Elisabeth und ich, arbeiten genau an dieser Schnittstelle. Sie schaut auf Strukturen, Muster, das große Ganze. Ich spüre hin, wo es eng wird. Und irgendwo dazwischen, zwischen Kopf und Herz, liegt dieser kleine, unscheinbare Moment, in dem Moral wieder lebendig wird.

Moral hat mit IYSAK viel gemeinsam. Beides will zurück zur Einfachheit.
Zu einem klaren Ja, das trägt. Zu einem Nein, das nicht trennt, sondern schützt. Zu einer inneren Wahrheit, die ohne Drama auskommt.

Ich: „Also gut, Moral, du darfst bleiben. Aber bitte nicht so streng.“
Moral: „Ich bin gar nicht streng. Ich bin nur echt.“
Ich: „Das sagst du leicht. Du musst ja keine Newsletter schreiben.“
Moral: „Stimmt. Ich schreibe keine Texte. Ich schreibe Charakter.“

Und damit steht sie auf, lächelt milde und lässt mich nachdenken.
Vielleicht ist Moral gar nicht verstaubt. Vielleicht ist sie einfach ehrlich.
Und wer weiß – vielleicht ist genau das wieder modern geworden.